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Teilnehmerin während einer Ruhepause in der Natur

Johanna fand über die MUT-TOUR den Weg in eine Selbsthilfegruppe

Wie bist du zur MUT-TOUR gekommen und seit wann bist du schon dabei?

Ich habe von der MUT-TOUR auf der Homepage der Deutschen DepressionsLiga e.V. erfahren und war dann im Jahr 2019 auf zwei Etappen mit dabei.

Was waren deine ersten Erfahrungen mit Depression?

Meine ersten Erfahrungen mit Depression machte ich durch den Suizid meines Klassenkameraden als ich 15 Jahre alt war. Ebenso war eine Freundin von mir betroffen, deren Schilderung über ihre depressiven Symptome ich zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht sonderlich gut verstehen konnte. Erst als sich bei mir selbst nach einem weiteren Jahr die ersten Anzeichen bemerkbar machten, konnte ich nachvollziehen, wie es meiner Freundin wohl ging. Bei mir äußerte sich die Depression zunächst dadurch, dass ich an kaum einer Aktivität noch Freude empfinden konnte, mir viele Sorgen gemacht habe und dann auch teils starke Suizidgedanken entwickelte.

Was hilft dir in einer depressiven Phase?

Mir hilft es, wenn ich mir eine gewisse Tagesstruktur aufbaue. Diese kann ich mir zum einen selbst geben, indem ich beispielsweise Aktivitäten wie Fahrrad fahren oder auch Haushaltsarbeiten fest in den Tag einplane, zum anderen profitiere ich auch sehr von Terminen, die von außen festgelegt sind, also beispielsweise Treffen mit Freunden. Da komme ich auch schon zum nächsten Punkt: den Sozialkontakten. Auch wenn ich mich in einer depressiven Phase eigentlich niemandem zumuten möchte, merke ich immer wieder, dass mir diese gemeinsamen Zeiten sehr guttun. Bewegung, besonders in der Natur, ist auch ein Punkt, der mir hilft. Zuletzt möchte ich noch hinzufügen, dass mir das Erreichen von Zielen, egal wie klein sie auch sein mögen, hilft, an mich zu glauben und mir Hoffnung gibt, dass ich auch diese schwere Zeit überstehen werde.

Gibt es ein Erlebnis, das dir besonders stark aus deiner Etappen-Teilnahme in Erinnerung geblieben ist?

Ich hätte nicht erwartet, dass es so viele Menschen gibt, die so gastfreundlich sind und ihren Garten uns “wildfremden” Radlern zur Verfügung stellen. Manchmal wurden wir dort auch spontan noch zum Essen eingeladen. Die Gespräche, die sich dort teilweise ergaben, haben mir auch Mut gemacht, mich weiterhin im Bereich der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen zu engagieren.

Was ich hygienetechnisch nicht erwartet hätte, ist folgende Erfahrung: Durch Outdoorseife ist es tatsächlich möglich, sich in einem sehr trüben See so zu waschen, dass man sich danach fast wie nach einer erfrischenden Dusche fühlt. Es stimmt eben doch: Man kann auch mit wenig Luxus sehr zufrieden sein!

Teilnehmerin während einer Ruhepause in der Natur

Kurze Pause während einer Tandem-Etappe. Jeden Tag legt ein Team von 6 Leuten im Schnitt 55 Kilometer zurück.

Was hast du Positives aus deinen Mut-Tour-Aktivitäten in deinen Alltag mitnehmen können?

Ich habe auf der MUT-TOUR gemerkt, wie gut es mir tut, mich mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, auszutauschen. Im Alltag habe ich das jetzt umgesetzt, indem ich regelmäßig zu einer Selbsthilfegruppe für junge Menschen mit Depression gehe.

Außerdem wurde mir nochmal klarer, dass mir mein Engagement im Bereich psychische Gesundheit viel Energie, Sinn im Leben und Zufriedenheit gibt. Da habe ich mir mittlerweile auch Schulprojekte ausgesucht, an denen ich teilnehme.

Was mir manchmal besser und manchmal schlechter gelingt, ist die Aktivität im Alltag: Gerade, wenn ich mich überhaupt nicht nach Fahrradfahren fühle, ist es in der Regel das Beste, was ich tun kann, mich doch auf den Sattel zu schwingen. Ganz nach dem Motto: Entgegengesetztes Handeln tut gut.

Was möchtest du unseren Leser*innen mitgeben?

Das Wissen, dass eine depressive Episode nicht ewig anhält. Es fühlt sich als betroffene Person zwar meist so an, aber Fakt ist, dass die Symptome nicht immer gleich stark ausgeprägt sind und sich diese durch Therapie und allem was dazu gehört, auch wieder bessern werden. Natürlich heißt das nicht, dass eine depressive Episode nie wieder vorkommen wird, aber das Leben kann sich besonders in den „gesunden“ Zwischenzeiten echt schön und wertvoll anfühlen. 

Hier findest Du einen weiteren Beitrag in dem Johanna von ihrer Depressionserfahrung berichtet.

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