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Elvira mit Depressionserfahrung auf einer Fährüberfahrt während MUT-TOUR 2019

Elvira, langjährige Teilnehmerin der MUT-TOUR, schätzt, wenn ihr Menschen „normal“ begegnen

Wie bist du zur MUT-TOUR gekommen und seit wann bist du schon dabei?

2012 suchte ich im Internet nach Informationen zum Thema Depressionen und bin dabei auf die MUT-TOUR gestoßen. Zu dem Zeitpunkt ging es mir nicht so gut und ich traute mich nicht, mich zu melden, behielt es aber im Kopf. Anfang 2014 erinnerte ich mich und schaute wieder ins Netz. Dieses Mal hatte ich den Mut und meldete mich an. Seitdem fahre ich jedes Jahr einige Tage mit und nehme nach Möglichkeit an den Winter- und Herbsttreffen teil. Außerdem war ich bei einzelnen Mitfahr-Aktionen dabei.

Was waren deine ersten Erfahrungen mit Depressionen?

Schon als Jugendliche hatte ich Phasen, in denen es mir nicht gut ging und ich niedergeschlagen, unsicher und mutlos war. Das habe ich aber nicht als Depression gesehen. Selbst der damalige Hausarzt erkannte es nicht. Mit Anfang 20 versuchte ich, mir das Leben zu nehmen, was zum Glück nicht gelang. Ich hatte zu der Zeit aufmerksame Menschen um mich herum, die wohl erkannten, was mit mir los war. Ich ging in eine psychosomatische Klinik zur Therapie, die gleich so geplant war, dass ich nach einem Jahr noch einmal wiederkommen konnte. Danach ging es mir deutlich besser und ich konnte längere Zeit relativ beschwerdefrei leben.

Was hilft dir in einer depressiven Phase?

Wenn ich es schaffe raus zu gehen, Bewegung in der freien Natur. Ansonsten Musik und Kontakt zu Menschen, die wissen, dass es mir nicht gut geht, trotzdem am Ball bleiben und mir „normal“ begegnen. Damit meine ich, dass sie nicht übermäßig Rücksicht nehmen, durchaus Anforderungen stellen, es aber auch in Ordnung ist, wenn es bei mir gerade nicht geht. Menschen, die sich auch melden, wenn es von meiner Seite dann doch mal eine längere Pause gibt, weil ich es nicht schaffe, Kontakt herzustellen. Und Menschen, mit denen ich etwas ganz „Normales“ unternehmen kann, wie z. B. Radfahren, wandern/spazieren gehen, mal einen Kaffee trinken oder irgendetwas anderes Schönes, selbst wenn ich nicht unbedingt das Gefühl von Schön dabei habe.

Gibt es ein Erlebnis, das dir besonders stark aus deiner Etappenteilnahme in Erinnerung geblieben ist?

Mir fallen viele Erlebnisse ein, die ich sofort erzählen könnte. Es ist schwer, da Eines besonders hervorzuheben, da sofort parallel andere Situationen in den Fokus geraten.

Ich habe auf jeder Tour Situationen erlebt und Menschen kennengelernt, die mir etwas gegeben haben, mal in der Begegnung mit Menschen, mal in der erbrachten Leistung. Trotzdem fällt mir immer wieder eine junge Frau ein, die unser Team auf einem Marktplatz (ich weiß leider nicht mehr die Stadt, es war die Etappe Hildesheim-Fulda) eine Zeit lang beobachtete, dann näher kam und schlicht sagte „Danke, dass ihr das macht“ und weiter ging. Das hat mich und auch andere aus dem Team sehr berührt.

Team Nord 2 der MUT-TOUR 2019 werben für Entstigmatisierung von Depression

Hier findest Du eine Auflistung mit psychosozialen Hilfsangeboten deutschlandweit.

Elvira mit Depressionserfahrung auf einer Fährüberfahrt während MUT-TOUR 2019

Was hast du Positives aus deinen MUT-TOUR-Aktivitäten in deinen Alltag mitnehmen können?

Zum Einen, dass viele Menschen offener für das Thema und hilfsbereiter sind, als es manches Mal erscheint. Dann Kontakte zu Menschen, die teilweise bis heute fortdauern. Und nicht zuletzt, dass ich nicht so viel „Luxus“ brauche, wie ich es bis dahin dachte, viele leckere Inspirationen zum vegetarischen Essen, durch einzelne Grenzerfahrungen die Gewissheit, dass ich mehr schaffe, als ich manchmal glaube und auf jeden Fall die regelmäßige Bewegung, besonders das Radfahren. Ich bin schon immer gerne Fahrrad gefahren, habe es durch die Tour 2014 aber wieder regelmäßig aufgenommen. Heute kann ich mir die Bewegung besonders draußen in der Natur nicht mehr wegdenken aus meinem Leben. 

Was möchtest du unseren Leser*innen mitgeben?

Den nicht-depressionserfahrenen Menschen möchte ich sagen, seid nicht überbehütend, aber behutsam und achtet auch auf euch selbst.

Den depressionserfahrenen Menschen möchte ich sagen, bleibt am Ball, sucht Kontakt zu vertrauten Personen, versucht offen mit eurer Erkrankung umzugehen, zumindest im engen Freundes-/Familienkreis und holt euch professionelle Hilfe, auch wenn es nicht sofort klappt. Fragt nach Hilfe, wenn ihr es nicht alleine schafft, immer wieder. Es lohnt sich!

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