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Die Selbsthilfegruppe Zwinkerndes Auge, aufgenommmen während einer Fahrt

Mit einem zwinkernden Auge: Über Verbundenheit, Mut und Tandems

Anna kam mit Steffi, 57 Jahre, aus Leipzig ins Gespräch. Gemeinsam mit ihrem Partner leitet Steffi die Selbsthilfegruppe “Zwinkerndes Auge – fahr blind – Handicap gewinnt!”. Das Besondere dabei: Sie sind auf Tandems unterwegs! Sie selbst ist schon seit Geburt sehbehindert, jedoch haben sich ihre Augen in den letzten 6 Jahren so verschlechtert, dass sie nichts mehr wahrnehmen kann. Steffi hat 3 Kinder.

Magst du das Zwinkernde Auge einmal vorstellen?

Unsere Selbsthilfegruppe ist offen für blinde und sehbehinderte bzw. für körperlich beeinträchtigte Menschen. Es ist eine Fahrrad-Tandemgruppe. Das bedeutet, wir sind auf Tandems unterwegs, wobei jeweils ein Mensch vorne und hinten sitzt. Die beeinträchtigte Person sitzt dabei hinten, weil sie nicht die Möglichkeit hat, alleine Fahrrad zu fahren. Vorne sitzt immer eine sehende Person, die die Umgebung “zeigt”. Mittlerweile haben wir auch einen kleinen Fuhrpark – wir haben 11 herkömmliche Tandems und 2 Liegetandems zur Verfügung.

Wichtig an unserer Gruppe ist, dass zwischen den sehenden und den beeinträchtigten Menschen die Verbundenheit zählt. Auf beiden Seiten braucht es viel Vertrauen dazu – und auch Offenheit miteinander.

Steffi während des Interviews, das vor Ort in ihrer Wohnung stattfand.

``Besonders die Gespräche spielen eine ganz große Rolle in unserer Gruppe, weil viele der beeinträchtigten Menschen auch sehr einsam sind.``
Das Tandemfahren stärkt das Selbstbewusstsein.

Welchen Herausforderungen begegnest du innerhalb deiner Selbsthilfearbeit?

Meine Herausforderung ist, dass ich bestrebt bin, an junge Menschen heranzukommen, die vielleicht noch nicht wissen, dass es solche Aktivitäten gibt. Die möchte ich gerne an die Gruppe heranführen, so dass ihnen bewusst wird, wie viel Spaß solche Aktivitäten eigentlich machen. Die Gruppe soll inklusiv sein, d.h. ich möchte alle Leute zwischen 20 und 40 einbeziehen. Nur weiß ich noch nicht genau, wo und wie ich junge Menschen ansprechen kann. Das Thema Inklusion ist allgemein sehr relevant. Mit den aktuellen Strukturen ist es nicht leicht, in die Gesellschaft eingebunden zu sein. Das Tandemfahren mit Piloten und Pilotinnen ist ein Anfang, aber ich wünsche mir mehr Öffentlichkeit für das Thema und auch für unsere Gruppe.

Zusätzlich suche ich auch Menschen, die Spaß am Fahrradfahren haben und uns als Sehende-Piloten unterstützen möchten. Die vielleicht noch keine Erfahrungen mit dem Tandem gemacht haben, aber Lust haben es auszuprobieren. Ich biete dann auch immer Probefahrten von circa einer halben Stunde an, damit sich die Interessierten mit dem Tandem vertraut machen können und dann am Schluss selber urteilen können, ob das für sie geeignet ist oder nicht. Manchmal ist es sehr schwierig, an neue Leute ranzukommen, obwohl wir viele Flyer verteilen und auch schon über die Medien gegangen sind. Ich ermutige darum alle, sich bei Interesse einfach bei mir zu melden. Es ist schade, dass manchmal ein Loch entsteht, wenn z.B. Studierende in den Berufsalltag wechseln. Darum ist unser Wunsch, Menschen zu finden, die langfristig bleiben. Das ist aber keine Bedingung, sowas muss sich ja auch entwickeln.

Die Selbsthilfegruppe Zwinkerndes Auge, aufgenommmen während einer Fahrt

Ein Schnappschuss aus 2022: Die Gruppe steht mit den Tandems unter Bäumen und trägt die blauen T-Shirts der Selbsthilfegruppe.

Habt ihr bestimmte Themen, die ihr in der Gruppe besprecht?

Die Themen sind ganz gemischt. Im Grunde geht es um soziale Themen, zum Beispiel um Hilfestellungen, insbesondere Nachfragen von Beeinträchtigten, ob und wie eine Hilfestellung von der anderen Seite möglich ist. Aber auch Tagesgeschehen und Themen, die in den Medien herumgehen, werden besprochen, da viele verunsichert sind und Zuspruch und Mut für ihr Selbstbewusstsein brauchen.

Spielen auch psychische Erkrankungen bei euch eine Rolle?

Ja, auf jeden Fall! Menschen aus unserer Gruppe haben Depressionen und andere psychische Erkrankungen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Der eine mehr, die andere weniger, aber sie sind da. 

Doch das Gute ist, die depressiven Symptome werden durch die Verbundenheit unserer Tandemgruppe etwas abgebaut. Das Tandemfahren stärkt das Selbstbewusstsein. Die Menschen freuen sich darüber, dass das Fahrradfahren ihnen so möglich ist, und auch die Gespräche mit der Tandempartner*in wirken positiv. Das tut vielen gut. Besonders die Gespräche spielen eine ganz große Rolle in unserer Gruppe, weil viele der beeinträchtigten Menschen auch sehr einsam sind.

Wir sind auch nicht nur mit dem Tandem unterwegs, sondern im Sommer sitzen wir auch mal gemeinsam am See und grillen oder trinken gemeinsam Kaffee. Dort entstehen dann diese wichtigen Gespräche und wir tauschen uns aus. Das ist sehr wichtig und das merke ich auch bei mir, denn eigentlich rede ich mehr oder weniger von meinen Erfahrungen. Genau dieser Austausch in der Gruppe ist für mich Selbsthilfe. Wir unterstützen uns gegenseitig.

Wie genau organisierst du die Gruppe Zwinkerndes Auge?

Die Selbsthilfestruktur habe ich mit meinem Partner geschaffen, der diese Gruppe leitet. Wir führen die Selbsthilfegruppe selbstständig, aber natürlich freuen wir uns auch über finanzielle Unterstützung, um das Projekt voranzubringen. Fördermittel zu beantragen ist für uns eher schwierig, vor allem, da ich mir die Gründung eines Vereins noch nicht zutraue. Mir fehlen noch geeignete Leute dafür, die mich da wirklich unterstützen und diese habe ich noch nicht – insbesondere vertrauensvolle Leute.

Im Sommer 2022 besuchte das Team der MUT-TOUR in Leipzig den Durchblick e.V. und lernte dort auch Steffi und ihren Partner Günter kennen. Hier sieht man die Gruppe vor dem Haus.

``Mein Wunsch ist, dass die Selbsthilfegruppe weiter bestehen bleibt und wir wachsen. Und dass die Verbundenheit immer größer wird.``
Steffi über die Zukunft der Selbsthilfegruppe

Was ist dein Wunsch, wie es für dich und die Selbsthilfegruppe weitergehen soll?

Mein Wunsch ist, dass die Selbsthilfegruppe weiter bestehen bleibt und wir wachsen. Und dass die Verbundenheit immer größer wird. Jedoch ist das eng mit Vertrauen verbunden und das braucht Zeit und muss sich erst entwickeln. Die Verbundenheit in der Gruppe kommt nicht von heute auf morgen. Ich wünsche mir eine Gruppe an Menschen, die sich gut verstehen, die sich austauschen und Hilfestellungen miteinander teilen, ohne dass dabei Kosten für die Gruppenmitglieder entstehen.

Hast du zum Abschluss noch eine Anekdote aus der letzten Zeit, die dir in Erinnerung geblieben ist?

Eine Besonderheit ist, dass wir im September ein deutschlandweites Tandemevent veranstaltet haben. Dort waren 50 Teilnehmende am Start, die aus allen Ecken Deutschlands – Hamburg, Düsseldorf, Köln usw. – kamen und natürlich jeweils ihr eigenes Tandem dabei hatten. Wir hatten drei Tage lang eine schöne Zeit. Es wurde ein Zeitungsartikel veröffentlicht, wo die Teilnehmenden jetzt zum Schluss gesagt haben, dass es in zwei Jahren wieder durchgeführt werden sollte.

Du möchtest mitmachen?

Die Leipziger Selbsthilfegruppe Zwinkerndes Auge freut sich über Zuwachs – für mehr Infos meldet euch gerne bei Steffi!

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