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Hund Jua von Projektleitungsmitarbeiterin Annika

Ab nach draußen! Oder auch: was wir von einem Hund über achtsames Erleben lernen können.

Wart ihr schonmal mit einem Hund draußen unterwegs? Ja, ich meine allgemein “draußen”; ich meine nicht nur “in der Natur”. Hier eine kleine Weisheit: ein Hund lässt einen nicht nur, von der gemütlichen Couch aufstehen. Wenn man… Ja, wenn man…
Genau zu diesem “wenn” möchte ich im Folgenden einige Gedanken teilen, um greifbarer zu machen, worum es mir geht. 

Manchmal habe ich den Eindruck, Menschen ist die Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu sein, abhanden gekommen. Warum ich das glaube?
Während ein Hund gedanklich immer dort zu sein scheint, wo er sich gerade auch befindet, ist der Mensch zwar ebenfalls physisch präsent, mit seiner Wahrnehmung und seiner Gedankenwelt aber oft ganz weit weg. Habt ihr sowas schonmal beobachten können? Während der Hund schnüffelnd Zentimeter für Zentimeter ergründet, auf Geräusche und Begegnungen jeglicher Art reagiert, hängt sein Besitzer nicht selten in einiger Entfernung am anderen Ende der Leine, das Smartphone fokussierend in der Hand. Oder er wirkt derart gestresst, gedanklich schon im Auto zur Arbeit sitzend, dass der Hund von A nach B gescheucht wird, in der Hoffnung auf schnellstmögliche Verrichtung seiner Notdurft. 

Und was genau meine ich nun von einem Hund lernen zu können? Bevor ich auf diese Frage eingehe, möchte ich noch eine andere stellen und beantworten: 

Worum geht es beim Draußen sein? Darum, bewusst ein- und ausatmen zu können. Den Blick in die Ferne richten zu können, ihn schweifen zu lassen. Darum, den Wind an Nase und Stirn zu spüren. Ankerpunkte, um die Sinne auf das zu lenken, was uns Menschen umgibt. “Den Kopf frei bekommen”, Gedankenspiralen und -verklumpungen für eine Zeit ad acta zu legen und dadurch den Geist frei für die aktuelle Wahrnehmung zu machen. Das ist meine Auffassung, darum geht es mir.  

Um auf meine eingangs gestellte Frage zurückzukommen, was wir aus meiner Sicht von Hunden lernen können: Hunde sind Wesen, die, wie andere Tiere, stark von ihren Instinkten gesteuert sind. Sie haben, so ist zumindest mein Kenntnisstand, zwar die Fähigkeit, Verknüpfungen zu erkennen und abzuspeichern (wenn Frauchen den Zeigefinger hebt, ich mich hinsetze und bleibe, gibt es Futter), strategisch und manipulativ handeln, tun sie jedoch  stets im Moment. Menschen hingegen denken, ehe sie handeln. Und wenn sie handeln, so meine eigene Erfahrung, sind sie gedanklich oft schon wieder bei anderen Dingen: sobald die Entscheidung getroffen ist, JETZT mit dem Hund rauszugehen, wird ein gängiges Handlungsmuster abgespielt (Ankleiden, Hund anleinen). Dieses gängige Handlungsmuster läuft quasi von alleine, unsere Aufmerksamkeit wird nicht gefordert. Und anstatt sich auf die Abwechslung und die Möglichkeit zu freuen, 20 bis 60 Minuten die Luft zu genießen, die Sonne, den Regen oder den Wind auf der Haut zu spüren, gemeinsam mit dem tierischen Freund die Welt da draußen zu entdecken, hängen wir gedanklich an dem, was es noch alles zu tun gibt. 

Hund Jua von Projektleitungsmitarbeiterin Annika
Herbstlaub

Wagen wir doch mal das Experiment und widmen all unsere Aufmerksamkeit dem Hund und der Umgebung: anstelle des genervten Weiterziehens des schnüffelnden Hundes, weil es uns mal wieder nicht schnell genug geht, halten wir selbst inne. Nutzen wir doch einfach mal die Zeit und schauen, was der Hund so Spannendes zu riechen scheint. Richten wir unsere Augen gen Himmel, in die Baumwipfel oder entlang einer Fassade. Ich bin mir sicher, egal wie der Ort auch aussehen mag: es wird immer was zu entdecken geben. Und auch die täglichen Wege werden in ihrer Wiederholung mit einem wachen und neugierigen Blick uns bisher Unbekanntes bereithalten. Der Regentropfen, wie er über das frische grüne Blätterkleid der Bäume läuft; das Haus, an dessen Giebel sich auf einmal ein Schwalbennest auftut. Das Laub, das unter unseren Füßen unter lauten Knackgeräuschen zerbricht, die Ameise, die mit aller Kraft das Doppelte ihres Gewichts an Last auf dem Rücken trägt – das “Da-Draußen” hält vieles bereit. 

So kann nicht nur das weite Land, der Spaziergang am Fluss oder im Wald das hervorrufen, was viele Menschen fühlen, wenn sie “in der Natur” unterwegs sind. Nein, ich bin der Überzeugung, dass auch der Grünstreifen in der Stadt das Potenzial hat, unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhaschen und das jeden Tag, bei jedem Gang. Trete in Kontakt mit den Dingen, die dich umgeben und nimm dir die Zeit.
Und so lässt ein Hund einen nicht nur von der gemütlichen Couch aufstehen. Wenn man sich auf seine Erkundungen einlässt, öffnet er uns vielmehr die Tür, selbst zum Entdeckenden zu werden. Wenn wir uns auf dieses Experiment einlassen! Fangen wir endlich wieder an, zu entdecken – ob mit oder ohne Hund! 

Insbesondere die aktuelle Zeit, die corona-bedingt vielerlei Einschränkungen für unseren Alltag mit sich bringt, zeigt für mich, welchen hohen Wert die Zeit außerhalb der eigenen Vier-Wände hat! Schon das “in-die-Tasche-stecken” des Smartphones ist ein erster Schritt, uns und unsere Umwelt achtsamer zu erleben. Auch wenn es nur 15 Minuten am Tag sind, so meine Erfahrung, kann dieser Moment der Entschleunigung nachhaltig auf die psychische Gesundheit ausstrahlen. Nehmen wir uns die Zeit, unser Wohlbefinden wird es uns danken!   

 

Dieser Text stammt von Annika, einem Kopf des MUT-TOUR Projektleitungsteams. Über längere Zeit war sie auf der Suche nach einem neuen Vierbeiner; vor kurzem hat sie Jua gefunden, die ihren Blick fürs Entdecken schärft.

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