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Teilnehmer der MUT-TOUR bei Frühstückszubereitung

Gespräch mit Jürgen, einem unserer langjährigen Tourleiter aus der Pfalz

Schlafplatz am Fluß mit untergehender Sonne
Herbstlaub

Natur pur: unsere Streckenverläufe versuchen wir möglichst naturnah zu planen, wodurch wir immer mal wieder in Wassernähe unsere Zelte aufschlagen können.

Teilnehmer der MUT-TOUR bei Frühstückszubereitung

Während unserer Tandem-Etappen ernähren wir uns vegetarisch, weil uns Nachhaltigkeit wichtig ist. Und bekanntlich schmeckt die Brotzeit an frischer Luft in der Natur dreifach besser 😉

Wie bist Du zur MUT-TOUR gekommen und seit wann bist Du schon dabei?

Auf der Spezialradmesse in Germersheim habe ich 2012 einen Flyer der Mut-Tour gefunden. Das war völliger Zufall, denn der Messestand war bereits abgebaut. Am nächsten Tag war eine Mitfahraktion von Mainz nach Bensheim geplant. Der Hauptgrund meiner Teilnahme war, dass ich, wie so oft in meinem Leben, nicht mehr alleine unterwegs sein wollte. Die Erfahrung, mich innerhalb einer Gruppe zu bewegen, half mir, meine bis dahin angestauten und ausgeprägten Sozialphobien abzubauen. 

Was waren Deine ersten Erfahrungen mit Depressionen?

Das geht sehr weit zurück. Mit zehn Lebensjahren war ich zum ersten Mal in einem Erholungsheim. Warum genau, kann ich nicht sagen. Im Nachhinein und nach jetzigem Wissensstand waren die Gründe wohl Unstimmigkeiten im Elternhaus und daraus resultierende Stimmungsschwankungen. Diese zogen sich später durch alle Lebenslagen – Schule, Sport, Freundschaft, Beziehungen, Ausbildung und Beruf. Meine ersten Erfahrungen und bewussten Wahrnehmungen, ohne zu wissen, dass es sich um eine Depression handelt, waren geprägt von panischer Angst, Albträumen, Versagensängsten, tiefster Traurigkeit, gesundheitlichen Problemen (Magengeschwüre), Drogenkonsum und Alkohol, begleitet von leistungsorientiertem Arbeiten bis zu rezessiven Zusammenbrüchen.

Wie würdest Du Deine Depressionserfahrung bildlich beschreiben?

Hier bin ich. Da sind, weit weg, die Anderen. Vollkommene Isolation in der Gruppe.

Lebendig eingemauert, unter einer Eisschicht um mein Leben kämpfend. Mit Gummibeinen versuchen zu laufen. All das waren Bilder die innerhalb meiner  Träume, die mich sehr lange begleiteten, auftauchten.

Wie hast Du einen Umgang mit depressiven Phasen gefunden?

Nach schweren Operationen hörten die gesundheitlichen Probleme nicht auf. Ich hatte das Glück einen Internisten zu haben, der gesagt hat, er könne mir nicht helfen, ich solle zu einer Psychologin gehen. Wortwörtlich hat er gesagt: “zu einer Gemeinschaftspraxis, die zwei Damen besitzen”.

Als ich das Schild der Praxis las, war ich erst einmal geschockt, setzte mich dennoch rein, bis es mir zu lange dauerte und ich für ein Jahr verschwand. Die körperlichen gesundheitlichen Beschwerden ließen jedoch nicht locker, so dass ich nach einem Jahr mit einer Psychotherapie und Traumabewältigung angefangen habe. 

Was mir im Umgang mit depressiven Phasen hilft, ist in erster Linie, und das wird so bleiben, das Gespräch mit meiner Therapeutin. Gesprächstherapie ist für mich das Salz in der Suppe, das mich immer wieder auf neue Wege und für mich gesundheitsfördernde Massnahmen gebracht hat.

Ich bin ein Mensch mit gesundheitlichen Einschränkungen. Ich kann und will auch nicht in vielen Bereichen des Lebens am “normalen” gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Zu dieser Haltung zu stehen, kostet Kraft, Selbstbewusst- und Selbstwertgefühl.

Wie schätzt Du die Wirkung von Bewegung und Natur ein?

Für mich ist es das weitere Salz in der Suppe. Das A und O, der springende Punkt oder das hüpfende Komma. Wenn es um Bewegen im Sinne des Wortes geht und einen gewissen achtsamen Umgang mit dieser und sich selbst, sehe ich es als absolutes Therapeutikum und MUSS, jedoch unabhängig ob man nun gesund oder eingeschränkt gesund ist.

Zusätzlich zur Bewegung darf der wichtige Bestandteil „Soziale Kontakte“ auf keinen Fall fehlen oder vernachlässigt werden.

Was sollen die Leser sonst noch von Dir erfahren?

Ich habe über all die Jahre gelernt, das Leben so zu nehmen, wie es eben ist. Meine Stärken dadurch zu fördern, meine Defizite nicht zu kaschieren, sondern diese zu akzeptieren und anzusprechen.

Ich lebe sehr gerne und das, fast ein Leben lang, auf eine nachhaltige und umweltbewusste Weise. Dabei verfolge ich mein Ziel, so zu leben, wie ich es für mich passend halte.

So liegt es mir am Herzen, Dinge zu nutzen, solange es nur geht: sie nach dem normalen Gebrauch anderweitig, durch Be-, Ver- oder Aufarbeitung zu gebrauchen. Es macht mir Freude, alte Drahtesel aufzuhübschen, zu reparieren oder zu modifizieren. Das ist meine Leidenschaft, macht mich glücklich und stillt meinen Hunger nach Nachhaltigkeit und Wertschätzung.

Meine Ernährung gestalte ich so, wie es mir gut tut, ohne irgendeiner Ernährungsideologie zu folgen, sondern in Maßen und nach Bedarf.

Ich freue mich auf eure Zuschriften, Meinungen und Anregungen gerne an fahrrad-doc@gmx.de.

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