Chronische Krankheit und Depression – Pia, 48, nimmt es (meistens) mit Humor
Was sollen die LeserInnen sonst von dir wissen?
Bloggerin zu chronischer Krankheit
Was waren deine ersten Erfahrungen mit der Depression? In welcher Lebenslage ist die Depression bei dir zum ersten Mal aufgetreten?
Erste depressive Phasen erlebte ich schon früh durch Konflikte mit meinen Eltern. Seit einer Hirntumoroperation vor 20 Jahren habe ich fast täglich Migräne. Das erheitert auch nicht unbedingt. Zusätzliche Krankheiten fraßen inzwischen den Rest „normalen“ Lebens, so daß ich immer öfter mit Depressionen zu kämpfen habe.
Worin siehst du die Ursachen deiner Depressionserfahrung?
Es ist eine Kombination aus Kindheitserfahrungen, den fast täglichen schweren Schmerzen und veränderten Botenstoffen durch mein Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS). Durch das Chronische Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) und starke Chemikaliensensibilität (MCS) bin ich die 95% meiner Zeit ans Bett oder Sofa gebunden. Das ist schwer zu ertragen..
Welche war deine größte Herausforderung in Bezug auf die Depression?
Am Schlimmsten war und ist für mich, immer wieder zu merken, dass es in unserem Gesundheitssystem keine spontane, unkomplizierte Unterstützung gibt. Entweder Hospitalisierung mit Medikation, was für mich nicht in Frage kommt oder monatelange eigene Suche nach einem niedergelassenen Therapeuten. Die man in schlechten Phasen nicht bewältigt.
Wie gehst du mit der Depression um, wenn sie erst mal da ist? Was hilft dir dann?
Mir hilft es, humorvoll darüber zu schreiben. Auf meinem Blog www.frauenotiert.de erzähle ich über meine Krankheitserfahrungen und oft grotesken Situationen im Gesundheitssystem. Was ich selber durchmache erhält einen Sinn, wenn ich andere, vor allem selber chronisch Kranke, damit erreiche und das Gefühl vermitteln kann, nicht alleine da zu stehen.
Was können Freunde und Familie tun, um dir zu helfen?
Es wäre schön, wenn die Gesunden sich nicht nach und nach zurückzögen, sondern trotz ihres eigenen stressigen Alltags ab und zu nochmal persönlich vorbeisehen könnten, wenn man es nicht außer Haus schafft. E-Mails ersetzen keine menschliche Nähe. Man muß einfach mal jemanden in natura sehen, um sich nicht völlig abgeschnitten von der Welt zu fühlen.
Wie lautet dein „Lebensmotto“ bzw. Fazit?
Jede gute Stunde ist es wert, die dunklen auszuhalten! Ich zentriere mich, nehme mein Leben an, wie es ist. Und erlebe die kostbaren schönen Momente voller Intensität und Dankbarkeit.
Was möchtest du den LeserInnen noch mitgeben?
Versuche, jeden Tag als ein neues Leben zu sehen. Wie eine Seite in einem Buch: Auch nach 100 schwarzen Seiten, kann die morgige weiß sein. Akzeptiere deine Sensibilität, sie ist auch deine Stärke.
—
Auszug aus unserer im Mai 2018 erschienen Broschüre Unter besonderen Umständen