Steffi hilft im Umgang mit ihrer Depression, sich von Druck frei zu machen
Was waren Deine ersten Erfahrungen mit Depressionen und in welchem Alter hast du sie in etwa gemacht?
Da meine Mutter bereits vor meiner Geburt und bis zu ihrem Tod unter Depressionen litt, war es für mich zunächst nichts Ungewöhnliches. Erst im Kindergarten merkte ich, dass meine Mutter offenbar anders war als andere Mütter, was mich nicht weiter störte.
Die ersten wahrgenommenen Symptome meiner eigenen Depression hatte ich mit 13 Jahren, als unser Hund starb und ich bereits vorher und nachher in der Schule gemobbt wurde. Es war einfach alles schwarz und ich wollte nicht mehr leben.
Wie gehst Du mit depressiven Phasen um, was hilft Dir?
Es hilft mir, mich von Druck freizumachen. Mittlerweile habe ich mein soziales Umfeld so verändert, dass es weitestgehend Verständnis hat und ich meinen Zustand kommunizieren kann; mich ggf. von Pflichten freimachen kann, ähnlich wie bei einer Erkältung. Auch das gedankliche Vorholen eines Kalenderspruchs, den ich dann tatsächlich akzeptieren kann: “Nichts bleibt, wie es ist”. Darauf kann ich mich tatsächlich verlassen, dass es irgendwann vorbei geht. Und die Situation möglichst akzeptieren, das nimmt den Druck raus und hilft mir.
Wie hat sich Dein Umgang mit der Erkrankung in den Jahren verändert, was hat Dir besonders geholfen?
Es hat mir geholfen, mein Umfeld zu verändern. Sprich, von früheren Aktivitäten bzw. Leuten Abstand zu nehmen und neue Menschen ins Leben zu holen. Nicht, dass vorher alles doof war, aber ich fühlte nicht genug Resonanz und Verständnis. Ich habe mir Hilfe geholt, eine Therapie begonnen und gelernt, diese Erkrankung zu akzeptieren und Menschen gefunden, die sie ebenfalls akzeptieren. Da ich durch die Erkrankung die berufliche Perspektive verloren hatte, half es mir sehr, einen Zertifikatskurs als EX-IN-Genesungsbegleiterin und -Trainerin zu machen und in diesen Jobs zu arbeiten. Die Struktur, die Arbeit und die Anerkennung helfen mir sehr. Und sie geben meinem Leben einen Sinn, der mir sehr viel Aufwind gegeben hat (meine Tätigkeit bei der MUT TOUR hilft dabei zusätzlich). Außerdem engagiere ich mich politisch, was meinem Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit und Integrität hilft.
Steffi mit Tandem-Partner Peter während einer Etappen in Berlin, 2019. Fast seit Beginn der MUT-TOUR ist Steffi mit dabei. Neben ihrer Teilnahme bei Tandem- und Kayaketappen hat sie auch bei Schulworkshops zum Thema Depression mitgewirkt.
„Mir hilft, mich von Druck freizumachen. Mittlerweile habe ich mein soziales Umfeld so verändert, dass es weitestgehend Verständnis für meine depressiven Phasen hat und ich meinen Zustand kommunizieren kann; mich ggf. von Pflichten freimachen kann, ähnlich wie bei einer Erkältung.“
Wie sorgst Du im Moment für Dich in Zeiten, die aufgrund der aktuellen Corona-Epidemie von starken Alltagseinschränkungen geprägt sind?
Ich versuche ebenfalls, mich von Druck zu befreien, die Situation zu akzeptieren und irgendwie das Beste daraus zu machen. Anfangs dachte ich an Routinen, die ich in den neuen Alltag einführen wollte, bis ich merkte, dass diese mich zu sehr unter Druck setzen. Ich versuche lieber Kochen und Handarbeit in den Alltag zu integrieren und langsam auch Sport. Humor und Quatsch sind ebenfalls sehr hilfreich.
Welche Rollen spielen für Dich Freunde und Familie in von Krisen geprägten Zeiten?
Ich bin sehr froh und glücklich, dass ich mit meinem Partner zusammen wohnen kann, sodass wir uns gegenseitig unterstützen können und nicht allein sind. Zusammen schauen wir hin und wieder nach unseren Familien, informieren und beraten uns. Kleine Besorgungen für unsere Eltern geben das Gefühl, wenigstens etwas tun zu können.
Gibt es etwas, dass Du unseren Leser*innen mitgeben möchtest?
Ich kann empfehlen, euch nicht unter Druck zu setzen bzw. setzen zu lassen, denn die Info- und Ratgeberflut ist eher das Gegenteil von Hilfe.
Kannst du in deiner Erkrankung etwas Positives bzw. so etwas wie einen Sinn sehen?
Ich habe im Laufe der Zeit herausgefunden, dass die Depression mir oft half, mich aus Situationen zu befreien, die mir in der jeweiligen Situation bzw. auf Dauer nicht gut getan hatten. Ich selbst war zum Verändern oft zu schwach. Inzwischen habe ich dazugelernt und kann es ggf. auch selbst, allerdings nicht immer.
Außerdem habe ich festgestellt, dass ich eigentlich nicht der Mensch sein möchte, der ich ohne Depression wäre. Ich wäre mir dann vermutlich jetzt sehr unsympathisch, da ich an meiner Depressionserfahrung doch sehr gewachsen bin.