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Etappenbericht von Claudia: per Tandem von Bensheim nach Stuttgart

MUT-TOUR 2015 – Fotomomente

MUT-TOUR Teilnehmerin Claudia ist zum ersten Mal dabei und berichtet aus dem Tour-Alltag

Es geht los – Kennenlernen und Start

Mit gemischten Gefühlen traf ich am Freitagabend, 12.06.2015, am vorgegebenen Treffpunkt in Bensheim-Auerbach ein. Dort steht das Haus von Sebastian Burgers Großeltern, in dem gemeinsam übernachtet werden sollte, um pünktlich am Folgetag morgens die Etappe 4 der diesjährigen MUT-TOUR anzutreten: 200 km von Bensheim nach Stuttgart. Sebastian Burger ist der Initiator und Projektleiter der MUT-TOUR.
Allen meinen Freunden und Bekannten hatte ich im Vorfeld vorsichtshalber erzählt, lediglich theoretisch sei ich erst am Mittwoch, 17.06.2015, wieder zurück. Wohl eher früher, weil ich meiner Kondition und entsprechend meinem Durchhaltevermögen absolut misstraute.

Das Kennenlernen der übrigen EtappenteilnehmerInnen in der sehr herzlichen Atmosphäre des Hauses verlief zumindest schon einmal sehr positiv. Das Zusammenpacken des ganzen Gepäcks und entsprechendes Verstauen auf die Tandems betrachtete ich am Morgen aber mit gewisser Ehrfurcht. Denn inklusive der Personen wiegen die Räder zwischen 150 und 230 kg! Und wie soll man sich merken, wo alles verstaut ist???

Tag 1, Tandem fahren – eine neue Erfahrung

Zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Tandem! Entsprechend wacklig setzte ich mich hinter Sebastian auf das Ding und los gings den Berg runter. Unten im Ort mussten wir auf die anderen warten: ich stieg zitternd ab. Oh mein Gott, auf was hab ich mich da nur eingelassen?!?
Immerhin war perfektes Wetter und die Strecke an der Bergstraße zugegebenermaßen sehr schön.

Erster Pressestopp in Weinheim; den Schriesheimer Pressefotografen trafen wir unterwegs am Ortsausgang. Nach 40 km erreichten wir Heidelberg und ich hatte erstaunlicherweise noch Puste. Eine längere Pause am Marktplatz für Foto und Interview und allmählich begann ich zu begreifen, dass das Ganze wirklich Spaß machen könnte.
Bevor in Richtung Wiesloch ein passender Schlafplatz gesucht wurde, lernte ich bei einem Halt auf einer Wiese den „Ting“ kennen (Das Wort „Thing“ bedeutet seit ältester Zeit „Volks- und Gerichtsversammlung“.) Ein Teilnehmer aus der Gruppe versucht eine sachliche Zusammenfassung des Tages, bevor die einzelnen über ihre jeweilige Stimmung berichten.
Im Laufe der Tour sollte ich feststellen, wie wichtig und sinnvoll dieser Ritus ist.

Am Rande von Nußloch stoppten wir bei einem größeren Bauernhof und erhielten von der Überneunzigjährigen Eigentümerin nebst polnischer Pflegekraft und fettem Dackelmischling Sammy die Erlaubnis, unsere Zelte aufzuschlagen. Bei alldem schaute ich noch relativ hilflos zu und war über jede Anweisung dankbar. Zum Waschen wurden die mitgeführten Duschsäcke aufgehängt; es gab biologisch abbaubare Seife. Und Lisa begann mit der Zubereitung eines leckeren Essens.
Sebastian und Verena übten sich an der Ukulele; ein ereignisreicher Tag neigte sich dem Ende und ich war stolz, diese ersten 57 km gut überstanden zu haben und postete dies eifrig in Facebook und WhatsApp.

Tag 2, so langsam gewöhne ich mich an das tandem fahren

Bereits um 07.00 Uhr hieß es aufstehen. Zum Glück war der Kaffee relativ rasch fertig, sonst wäre ich noch langsamer in Gang gekommen. Frühstück zubereiten, sich selbst in Schale schmeißen, feuchte Zelte abbauen, alles verpacken, verstauen, am richtigen Platz – ich war leicht überfordert, die anderen mit mir aber geduldig.

Dafür fühlte sich das Fahren schon besser an. Mehr und mehr verlor ich die Angst vor steilen Hügeln, scharfen Kurven und lernte die kleinen Gänge schätzen, deren Existenz auch Mitfahrer Michael, aus Bremen stammend, gemäß O-Ton bislang eher verborgen geblieben war.

Pünktlich um 10.00 Uhr erreichten wir Wiesloch, unser nächster Pressestopp. Dort auf dem Rathausplatz spendierte uns ein neu eröffnetes italienisches Restaurant doch glatt diverse Kaffeespezialitäten. Zeitlich hatten wir heute keine weiteren Termine mehr und konnten es locker angehen lassen.

In Sinsheim gerieten wir in ein Fest und durch Zufall an einen Passanten, der sich sehr für die Thematik interessierte, weil seine Freundin derzeit an Depressionen litt. Überhaupt wurden wir bei den Stopps nicht selten von neugierigen Leuten angesprochen. Hierfür verteilten wir unsere Flyer und Buttons. Weiter ging es Richtung Heilbronn. Ein kurzer Stopp in Eppingen für ein Pressefoto. Die Sonne strahlte vom Himmel. Wir entschieden uns für einen Schwimmbadbesuch in Gemmingen. Das kühle Nass nebst den sanitären Anlagen dort war eine Wohltat.

Beim anschließenden Ting auf der Wiese davor musste ich feststellen, wie schwierig es mittlerweile geworden war, über alle Erlebnisse und Routenstopps lückenlos berichten zu können. Wir waren gerade mal knapp zwei Tage unterwegs, aber für mich fühlte sich das schon an wie eine Ewigkeit. Ich beurteilte dieses intensive Erleben einfach nur als schön. Wären da nicht die weiteren Kilometer und Hügel und Hänge, die auf uns im Gesamten noch warteten…..!!
Für den heutigen Tag brauchten wir aber nicht mehr viel zurücklegen, hatten wir doch schon 60 km geschafft.

Ein Nachtquartier zu suchen, war die nächste Aufgabe. Wieder hielten wir nach Bauernhöfen bzw. größeren Anwesen Ausschau und hielten bei einer vielversprechenden Besenwirtschaft – von Ortsansässigen zuvor empfohlen. Die Frau, die uns misstrauisch öffnete, lehnte uns ab. Wir erhielten aber den Tipp, es auf einer nahegelegenen und gemeindegehörigen Wiese zu versuchen und konnten bei ihr auch unseren Wasservorrat auffüllen. Mit den Anliegern der genannten Wiese jedoch hatten wir unerwartetes Glück. Nicht nur, dass wir eine Flasche Merlot und Sekt sowie Kuchen und Kekse spendiert bekamen; für den nächsten Morgen war ein Frühstück versprochen und jeder hatte einen sanitären Gang in die Privatwohnung frei. Zusätzlich konnten wir unsere Smartphones, bzw. ich meine E-Zigarette (!!) in der Scheune über Nacht aufladen. Alles supergenial! Und keinerlei Stechmücken, die plagten, wie am Vorabend.

Tag 3, besonders die Naturmomente begeistern

Wie viel leichter fiel mir das frühe Aufstehen und auch in Bezug auf das Zusammenpacken und Verstauen auf die Räder stellte ich Fortschritte fest. Ein gutes Gefühl. Ein Abschiedsfoto mit der Spenderin des Frühstücks, die sich gerne anbot, bei künftigen Tourenstopps ebenso zu unterstützen. Nicht zuletzt dank Michael, der die Verstopfung ihrer Toilette fachmännisch zu beseitigen wusste.

Weiter ging es gen Heilbronn. Dort hatten wir noch keinen festen Pressetermin und wollten bei der Heilbronner Stimme persönlich aufschlagen. Im Endeffekt warteten wir vor der Redaktion umsonst. Mir selbst machte das gar nicht viel aus, musste ich doch stets meinen inneren Schweinehund überwinden, wenn es richtig losging, das Tandem zu besteigen, Kilometer zu bewältigen und gar Höhen zu bezwingen.
Derlei Tatsachen lieferten mir schlicht meine Oberschenkel und allein auf mich gestellt, hätte ich niemals, nicht im Ansatz, unsere Strecke allein mit meinem Bike bewältigt. Dass sich der ganze act lohnt, konnte ich easy an der Natur festmachen.

Zwischen Heilbronn und Marbach fuhren wir am Neckar entlang. Die Sonne knallte nicht mehr so, fürs Radfahren nach den erlebten Tagen genial. Ein Ort des Weges präsentierte eine Kneipp-Anlage sowie einen Parcours nebst Holzliegen zum Entspannen.
Alles zum Kräfteschöpfen für den Aufstieg nach Marbach. Der Gepäckträger unseres Bikes war gebrochen, aber Sebastian war es gelungen, einen Schlosser zu finden. Der Rest der Truppe fand sich während der Reparatur in einem Eislokal ein. Fotosession Marbach ein Leichtes, da, einmal die Höhe erklommen, für diesen Moment keine weiteren Höhenmeter zu überwinden waren.

Ganz anders für die nächtliche location. Aber hier jedoch ein absoluter Glücksfall: aufgrund unserer Räder nebst Aufschriften, interessierte sich der lokale Pferdedentist für uns und bot uns für die kommende Nacht sensationell sein Grundstück an. Der Haken an der Sache: um zum Grundstück zu gelangen, ging es schwer auf und ab. Aber einmal eingeladen, folgten wir doch gerne. Längst war das Abbauen vom Rad und Aufbauen der Zelte für mich zur Gewohnheit geworden. Und ich konnte den ganzen act einfach nur genießen. Unsere Gastgeber grillten die mitgebrachten Würste nebst Knoblauchbaguette munter über dem Feuer – mehr brauchten wir nicht, um zufrieden zu sein.

Tag 4, Pressetemin und Meet&Greet mit der Deutschen DepressionsLiga e.V.

Geübt im Abbauen, Verpacken und Verstauen mussten wir terminlich zeitig los für den Pressetermin in Ludwigsburg. Ignorierend, dass wir von unserem Innenzelt aus zuerst ca. 20 Nacktschnecken am Morgen sichten konnten.
Die Schnecken konnte man wegschütteln. Das Grundstück unversehrt hinterlassen.
Den Ort für den Pressetermin im entfernten Ludwigsburg erreichten wir zeitnah. Die Journalistin dort wollte ein Einzelinterview, entsprechend machte der Pressefotograf die Fotos. Nachzulesen alles im Internet der Stuttgarter Zeitung.
Vorort aber erst einmal das Gruppenfoto mit sensationellerweise zwei Vorständen der Deutschen Depressionsliga: Thomas Müller-Rörich und Claudia Böhringer.
Ersteren hatte ich im März dieses Jahres bei einem Seminar des BApK kennenlernen können und fand ihn super. Und nun hatte ich die Aussicht, ihn persönlich zu treffen! Nebst persönlichem Foto! Selbstredend, dass ich vor Ort die Mitgliedschaft für die Depressionsliga ausgefüllt habe!

Wir mussten weiter nach Kornwestheim. Das nächste Interview-Ziel. Nicht unüberraschend mussten dazu wieder Höhenkilometer bewältigt werden. Angekommen trafen wir einen super engagierten Journalisten, der sich für das Interview mit Michael und Christoph sehr viel Zeit ließ. Die Übrigen von uns genossen die Pause und statteten der Bücherei einen Besuch ab.
Im Anschluss gabe es eine Essenspause und aus Versehen wurde die Zeit für das rechtzeitige Erreichen des Abschlussinterviews auf dem Stuttgarter Rathausplatz knapp. Im Eiltempo jagten wir durch den Stuttgarter Stadtgarten. Dabei hatten wir mehr oder weniger das Glück, nicht großartig viel Hügel bewältigen zu müssen. Alles in allem hatten wir nun die 200 km glücklich hinter uns gebracht – für mich ein unbeschreibliches Gefühl.

200 km per Tandem sind geschafft – und der Abschied steht an!

Empfangen wurden wir vor dem Rathaus von einer ehemaligen Mitfahrerin sowie zwei Pressevertretern. Michael als Herr Meier und Verena als Frau Müller gaben bei den Interviews ihr Bestes. Wir übrigens freuten uns bereits auf die versprochene Übernachtungsmöglichkeit in einer Datsche am Killesberg. Diese gehört einer grünen Politikerin und Sympathisantin des Projekts und sollte für uns ein herrlicher Abschluss der Tour werden. Was die location auch unbedingt erfüllte, außer, dass zum Erreichen noch ein garstiger Hang zu bewältigen blieb.
Egal wie: wir waren angekommen und einfach glücklich! Gleichzeitig traurig, dass unsere gemeinsame Zeit dem Ende zuging. Hatten wir uns in der Gruppe doch super verstanden und interne Anspielungen uns zum Lachen gebracht: „Man findet keine Freunde mit Salaaat“….(siehe die Simpsons).

An diesem letzten Abend wurde nicht mehr gekocht, sondern einfach nur Pizza nebst Bier bestellt und die Aussicht sowie den Erfolg über das Erreichen des Tourenziels genossen.
Mit großen Vorsätzen: im nächsten Jahr die große Mut-Tour mitzufahren! Und Unbeteiligten von der gesamten Tour vorzuschwärmen bzw. zum Mitfahren anzuregen!

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